Frage: Warum wird der Hoden bei unvollständigem Hodenabstieg (= Kryptorchismus) nicht generell entfernt (= kastriert), sondern in den Hodensack verlegt?
Dr. Jähnig: Die Kastration ist das gängige Verfahren bei Kryptorchismus, um eine tumoröse Entartung des Hodens zu verhindern. Damit ist gleichzeitig gesichert, dass ein Rüde diese Erbkrankheit nicht an seine Nachkommen weiter geben kann.
Medizinisch dient die chirurgische Verlagerung des unvollständig abgestiegenen Hodens vom Abdomen (= Bauchraum) oder der Leiste in den Hodensack zur Wiederherstellung der gesunden, anatomisch-physiologischen Verhältnisse. Der Rüde erhält seine vollständige hormonelle Gesundheit zurück, eine tumoröse Entartung wird verhindert. Natürlich sollte ein operierter Rüde nicht zur Zucht verwendet werden.
Frage: Welcher Zeitpunkt für die Operation ist der Beste?
Dr. Jähnig: Der Hodenabstieg sollte bis zur 8. Lebenswoche erfolgen. Generell sollten zunächst alle Grundimpfungen vorgenommen worden sein. Zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat, also vor der Pubertät (= Geschlechtsreife) ist eine OP sinnvoll. Je jünger der Rüde ist, desto besser sind die Einheilungsergebnisse. Außerdem wächst der nicht abgestiegene Hoden deutlich langsamer als der gesunde. Je früher man operiert, desto geringer sind die Unterschiede in der Entwicklung.
Wir operieren auch noch Rüden mit 8 bis 10 Monaten erfolgreich. Die Gefahr von ungünstigeren Einheilungsergebnissen steigt allerdings mit dem Lebensalter.
Frage: Kann der Hoden nach der Operation wieder aus dem Hodensack „zurück rutschen“?
Dr. Jähnig: Der operierte Hoden wird hinter dem Hodensack mittels Fadenzügels fixiert (über wenigstens 14 Tage!). Auch der Eingang vor dem Hodensack wird durch Nähte in der Unterhaut verkleinert. Eine Verlagerung des Hodens nach der Operation ist dadurch kaum denkbar. Im Gegenteil: durch die chirurgisch bedingten Verwachsungen am Hodensack ist der operierte Hoden nach der Abheilung meist etwas weniger verschiebbar als der gesunde Hoden.
Frage: Operieren Sie Hoden aus dem Bauchraum in 2 Etappen oder innerhalb einer Sitzung?
Dr. Jähnig: Da wir die Hodenverlagerung inzwischen in größerer Zahl durchführen, haben wir festgestellt, dass es keinen Vorteil bringt, in 2 Etappen zu operieren. Das Band, welches den Samenstrang stabilisiert, wird bei der Verlagerung aus dem Bauchraum immer überdehnt. Andererseits reicht nach der Überdehnung des Bandes die vorhandene Länge des Samenstranges aus, um diesen sofort über die Leiste in den Hodensack zu verlagern.
Frage: Welches Risiko birgt der Eingriff für den Rüden?
Dr. Jähnig: Das allgemeine Operations- und Narkoserisiko ist bei Junghunden besonders gering. Auch die Gefahr von Infektionen wird durch ein strenges OP/Hygiene-Management sehr gering gehalten, kann aber postoperativ durch Lecken und Beißen des Patienten noch zum Problem werden.
Gefahren für die Einheilung stellen Blutungen in der Unterhaut dar, die im schlimmsten Fall den Samenstrang abdrücken könnten. Dadurch wäre ein Absterben des Hodens möglich. Das ist allerdings noch nicht vorgekommen. Unterhautblutungen werden anfangs mit kalten Umschlägen, später mit Heparin-haltigen Salben behandelt.
Schwellung und Narbenzug kann unter Umständen die Funktion der Vorhaut kurzzeitig beeinträchtigen. Nach Abschwellen dieses Gebietes ist diese Funktion wieder normal.
Frage: Ist die Sterilisation (= Durchtrennung des Samenleiters) gleichzeitig mit der Hodenverlagerung sinnvoll oder sogar zwingend notwendig?
Dr. Jähnig: Da Kryptorchismus vererbt wird, ist die Sterilisation von Merkmalsträgern durch Samenstrangdurchtrennung eine sichere Methode, die genetische Weitergabe zu verhindern. Eine Sterilisation während der OP zur Hodenverlagerung ist ein kleiner, unkomplizierter zusätzlicher Eingriff, der allerdings beidseitig durchgeführt werden muss. Wir bestätigen die Sterilisation hinterher auch gern schriftlich.
Zwingend notwendig ist die Sterilisation natürlich nicht, nimmt aber allen Beteiligten den Vorwurf, dass mit einem Kryptorchismus-vererbenden Rüden gezüchtet werden könnte.