Hodenverlagerung in den Hodensack (Orchidopexie) bei kryptorchiden Hoden – eine Spezialisierung unserer Praxis
Der unvollständige Hodenabstieg (Kryptochismus) kommt als Folge eines rezessiven Erbganges bei Rüdenwelpen immer wieder vor. Beim gesunden Rüden steigt der Hoden in der Embryonalentwicklung beidseitig von seiner Ausgangslage, hinter der jeweiligen Niere, über den Leistenkanal und Leistenspalt bis in den Hodensack, den er rassespezifisch zwischen der sechsten und achten Lebenswoche erreicht haben wird. Dieser Vorgang ist abhängig von der Ernährung und steht unter hormonellen und genetischen Einflüssen.
Etwa 90 % der Hoden, die den Hodensack nicht erreichen, liegen in der Unterhaut der Leiste – man spricht vom inguinalen Kryptorchismus. Bei den restlichen 10 % liegt der Hoden im Abdomen – abdomialer Kryptorchismus. Der unvollständige Abstieg kann ein- oder beidseitig Vorkommen, wobei der rechtsseitige Kryptorchismus überwiegt. Da der gesunde Hoden zur Entwicklung befruchtungsfähiger Spermien geringere Temperaturen als im Körperinneren benötigt, sind kryptorchide Hoden generell kleiner.
Diese Hoden haben eine bis zu 13fache Wahrscheinlichkeit, Tumore zu entwickeln. Außerdem leiden kryptorchide Rüden unter Hyperöstrogenismus mit der Folge von chronischen Hautveränderungen. Eine weitere Folge des unvollständigen Hodenabstieges sind Verhaltensauffälligkeiten wie Ängstlichkeit verbunden mit zunehmender Aggressivität.
Aus diesen Gründen und der Vererbbarkeit der Erkrankung werden Hunde häufig kastriert, wobei sowohl der kryptorchide als auch der gesunde Hoden entfernt werden. Für Ausstellungstiere führt dieses Vorgehen zu einem sofortigen Ausfall, da nur intakte Rüden bewertet werden.
Um die physiologische Funktion der Hoden sicher zu gewährleisten, haben wir eine Methode aus der Humanmedizin für den Rüden etabliert, mittels chirurgischer Verlagerung des kryptorchiden Hodens in den Hodensack einen vollständigen, äußerlich und klinisch gesunden Hund zu erzielen.
Dabei wird der Hoden aus dem Bauchraum in die Leiste verlagert und im zweiten Schritt der Hoden von der Leiste in den Hodensack verlagert und dort so vernäht, dass ein Zurückrutschen ausgeschlossen werden kann. Diese OP ist zwischen dem 3. und 7. Lebensmonat sinnvoll, wobei es sich gezeigt hat, je zeitiger operiert wird, desto problemloser heilt der Hoden im Hodensack ein und erreicht eine mit dem Hoden der gesunden Seite vergleichbare Größe.
Eine vorhergehende Therapie mit sog. Hormonspritzen erscheint nur bei inguinalen Kryptorchismus (Lage in der Leiste) sinnvoll, ist aber eher selten erfolgreich. Bei abdomialer Lage der Hoden kann die Hormontherapie das Wachstum der Hoden anregen, eine Verlagerung des Hoden in die Leiste allein durch Spitzen schein nicht möglich zu sein.
Nach der Operation ist eine Heilungszeit von 2 bis 3 Wochen abzuwarten, in der darauf geachtet werden muss, dass es nicht zu einer lokalen Infektion mit Schmerzen, Schwellung und Rötung am Hodensack kommt. Eine antibiotische Abschirmung über wenigstens 10 Tage ist sinnvoll.
Neben Wundheilungsstörungen kann es auch durch eine ungenügende Durchblutung des Hodens infolge Druck der Bauchmuskulatur auf den Samenstrang zu einem unbefriedigenden OP-Ergebnis kommen. Der Hoden wird kleiner und stirbt eventuell sogar ganz ab. Eine Entfernung des Hodens ist dann aber nicht erforderlich, da der verkleinerte Hoden nicht zur tumorösen Entartung neigt.
Um eine Nutzung des operierten Rüden für die Zucht mit dem Risiko der Vererbung auszuschließen, schlagen wir dem Besitzer immer eine beidseitige Sterilisation (Unterbildung der Samenleiter) vor.
Die Methode ist seit mehreren Jahren bei uns etabliert und führt selbst bei abdomialer Lage zu sehr guten Erfolgen.
Dr. Volker Jähnig